Die Brennnesseln (Urtica) bilden eine Pflanzengattung in der Familie der Brennnesselgewächse (Urticaceae). Sie kommen fast weltweit vor. In Deutschland nahezu überall anzutreffen sind die Grosse Brennnessel und die Kleine Brennnessel sowie seltener die Röhricht-Brennnessel und die Pillen-Brennnessel.
Vegetative Merkmale
Brennnessel-Arten wachsen als einjährige oder ausdauernde krautige Pflanzen, selten auch Halbsträucher. Die in Mitteleuropa vertretenen Arten erreichen je nach Art, Standort und Nährstoffsituation Wuchshöhen von zehn bis 300 Zentimetern. Die ausdauernden Arten bilden Rhizome als Ausbreitungs- und Überdauerungsorgane. Die grünen Pflanzenteile sind mit Brenn- sowie Borstenhaaren besetzt. Ihre oft vierkantigen Stängel sind verzweigt oder unverzweigt, aufrecht, aufsteigend oder ausgebreitet.
Die meist kreuz-gegenständig an der Sprossachse angeordneten Laubblätter sind gestielt. Die Blattspreiten sind elliptisch, lanzettlich, eiförmig oder kreisförmig und besitzen meist drei bis fünf, (bis sieben) Blattadern. Der Blattrand ist meist gezähnt bis mehr oder weniger grob gezähnt. Die oft haltbaren Nebenblätter sind frei oder untereinander verwachsen. Die Zystolithen sind gerundet bis mehr oder weniger verlängert.
Brennhaare
Bekannt und unbeliebt sind die Brennnesseln wegen der schmerzhaften Quaddeln (Schwellungen), die auf der Haut nach Berührung der Brennhaare entstehen. Je nach Art sind die Folgen unterschiedlich schwer, so ist beispielsweise die Brennflüssigkeit der Kleinen Brennnessel (Urtica urens) wesentlich schmerzhafter als die der Grossen Brennnessel (Urtica dioica).
Diese Brennhaare wirken als Schutzmechanismus gegen Fressfeinde und sind überwiegend auf der Blattoberseite vorhanden. Es sind lange, einzellige Röhren, deren Wände im oberen Teil durch eingelagerte Kieselsäure hart und spröde wie Glas sind. Das untere, flexiblere Ende ist stark angeschwollen, mit Brennflüssigkeit gefüllt und in einen Zellbecher eingesenkt, die Spitze besteht aus einem seitwärts gerichteten Köpfchen, unter dem durch die hier sehr dünne Wand eine Art Sollbruchstelle vorhanden ist.
Das Köpfchen kann schon bei einer leichten Berührung abbrechen und hinterlässt eine schräge, scharfe Bruchstelle, ähnlich der einer medizinischen Spritzenkanüle. Bei Kontakt sticht das Härchen in die Haut des Opfers, sein ameisensäurehaltiger Inhalt spritzt mit Druck in die Wunde und verursacht sofort einen kurzen, brennenden Schmerz und dann die erwähnten, mit Brennen oder Juckreiz verbundenen Quaddeln.
Weitere Wirkstoffe der Brennflüssigkeit sind Serotonin, Histamin, Acetylcholin und Natriumformiat. Bereits 100 Nanogramm dieser Brennflüssigkeit reichen aus, um die bekannte Wirkung zu erzielen. Histamin erweitert die Blutkapillaren und kann Reaktionen hervorrufen, die allergischen Reaktionen ähneln (diese werden unter anderem durch Freisetzung körpereigenen Histamins verursacht). Acetylcholin ist auch die Überträgersubstanz vieler Nervenendungen und für den brennenden Schmerz verantwortlich. Da fast alle Brennhaare nach oben gerichtet sind, lassen sich Brennnesseln mithilfe einer Überstreichung von unten nach oben relativ gefahrlos anfassen.
Auch ohne Eindringen der Brennhaare kann allein der Hautkontakt zur Brennflüssigkeit Folgen haben: Frischer Brennnessel-Schnitt verursacht bei Hautkontakt (z. B. beim Rasenmähen) zuerst keine Schmerzen, weil gebrochene Brennhaare nicht in die Haut stechen können und nur noch wenig Gift enthalten. Die spröden Brennhaare brechen bereits bei Mähmesser-Rotation und die Brennflüssigkeit fliesst frei aus. Bei Benetzung empfindlicher Hautschichten mit Brennflüssigkeit (Knöchel- und Spannbereich) erfolgt eine späte Schmerzreaktion, da die Brennflüssigkeit nach Kontakt auf nervenloser Oberhaut (Epidermis) durch Poren in die darunterliegende Lederhaut (Dermis) eindringt. Dort erreicht sie erst nach Stunden freie Nervenendigungen (Nozizeptoren). Dagegen schmerzen Hauteinstiche spröder, ungebrochener Brennhaare schon in Sekundenbruchteilen. Die relativ lange Gift-Kontaktzeit ist zur späteren Verätzungsintensität direkt proportional. Nur langsam unter stechenden Schmerzen mit Schwellungen wird das in die Lederhaut eingedrungene Gift abgebaut und die grossflächig verätzte Oberhaut durch eine neue ersetzt.
Die Brennnessel hat damit einer Reaktion der Haut ihren Namen gegeben, der Nesselsucht oder Urtikaria. Genau wie bei einer Reizung durch Brennnesseln verursacht sie juckende Quaddeln und es wird Histamin aus Mastzellen der Haut freigesetzt. Die Ursachen können jedoch sehr unterschiedlich sein.
Generative Merkmale
Brennnesseln sind je nach Art einhäusig (monözisch) oder zweihäusig (diözisch) getrenntgeschlechtig. In den Blattachseln stehen in verzweigten, rispigen, ährigen, traubigen oder kopfigen Gesamtblütenständen viele zymöse Teilblütenstände mit jeweils vielen Blüten zusammen. Die relativ kleinen, unauffälligen, immer eingeschlechtigen Blüten sind zwei- bis sechs-, meist jedoch vier- bis fünfzählig.
Die eingeschlechtigen Blüten sind etwas reduziert. Es sind (zwei bis) vier (bis fünf) Blütenhüllblätter vorhanden. Die männlichen Blüten enthalten meist (zwei bis) vier (bis fünf) Staubblätter. Die weiblichen Blüten enthalten einen Fruchtknoten, der zentral in der Blüte liegt und aus nur einem Fruchtblatt gebildet wird.
Brennnessel-Arten sind windbestäubt. Wenn sich bei den männlichen Blüten die Blütenhüllblätter öffnen, schnellen ihre Staubblätter hervor; dabei wird explosionsartig eine Wolke von Pollen in die Luft geschleudert. Der Wind überträgt anschliessend den Pollen auf die weiblichen Blüten.
Die sitzenden, in den haltbaren inneren Blütenhüllblättern locker eingehüllten Nüsschen sind gerade, seitlich abgeflacht, eiförmig oder deltoid. Die aufrechten Samen enthalten wenig Endosperm und zwei fleischige, fast kreisförmige Keimblätter (Kotyledonen). Sie werden durch Wind und Tiere verbreitet.
- Die Chromosomengrundzahl beträgt x = 12 oder 13
Einige ähnliche Arten
Die Arten der mit den Brennnesseln nicht verwandten Gattung der Taubnesseln (Lamium) sehen den Brennnesseln in Wuchs und Blattform sehr ähnlich, besitzen aber keine Brennhaare und sehr viel grössere und auffälligere Blüten. Die ebenfalls ähnlichen Blätter der Nesselblättrigen Glockenblume (Campanula trachelium) sind dagegen wechselständig.
Lebensraum für Schmetterlinge
Für die Raupen von rund 50 Schmetterlingsarten sind bestimmte Brennnessel-Arten eine Futterpflanze.
Die Schmetterlingsarten Admiral, Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs (auch als Nesselfalter bekannt), Silbergraue Nessel-Höckereule, Dunkelgraue Nessel-Höckereule, Brennnessel-Zünslereule (Hypena obesalis) und das Landkärtchen sind dafür sogar auf die Brennnessel angewiesen, andere Pflanzen kommen für diese Arten nicht in Betracht (Monophagie). Trotzdem scheinen sich diese Schmetterlingsarten kaum gegenseitig Konkurrenz zu machen, da sie entweder jeweils eine andere Wuchssorte der Brennnesseln bevorzugen oder relativ selten sind.
- Die Raupen des Kleinen Fuchses sind an trockenen und sonnigen Stellen zu finden
- Das Tagpfauenauge mag es zwar gleichfalls sonnig, aber dennoch luftfeucht und bevorzugt daher Plätze an Gewässern.
- Beide Arten benötigen überdies grössere Brennnesselbestände.
- Der Admiral dagegen gibt sich schon mit Ansammlungen einiger weniger Pflanzen zufrieden und bevorzugt eher kümmerliche Brennnesseln.
- Das Landkärtchen sucht sich die schattigsten Wuchsorte der Brennnessel aus, die oft grossen und dichten Bestände in den fluss- und bachbegleitenden Auwäldern.
Auf fast jeder Brennnessel sind Frassspuren einzelner Insekten zu finden. Dabei müssen diese eine Strategie entwickelt haben, mit der sie die Brennhaare umgehen. Sie fressen sich um die Haare herum und bevorzugen dabei die Wege entlang der Blattadern und der Blattränder, da sich dort keine Brennhaare befinden. Vorteilhaft für die Insekten: Das Gift dringt nicht aus der Spitze, wenn das Haar unten an der Wurzel angefressen wird.
Vorkommen
Die Gattung Urtica ist fast weltweit verbreitet, lediglich in der Antarktis kommen keine Arten vor. Von den etwa 30 Urtica-Arten kommen des Weiteren 14 in China vor. Hauptsächlich gedeihen sie in den gemäßigten Gebieten der Nord- und der Südhalbkugel. Es gibt aber auch Arten in den Gebirgen der Tropen.
Im deutschsprachigen Raum kommen vier Brennnessel-Arten vor: Die bekanntesten sind die zweihäusige Grosse Brennnessel (Urtica dioica) und die einhäusige Kleine Brennnessel (Urtica urens); ausserdem existieren hier noch die Röhricht-Brennnessel (Urtica kioviensis) und die aus dem Mittelmeerraum eingeschleppte Pillen-Brennnessel (Urtica pilulifera), deren gelegentliche mitteleuropäische Vorkommen auf die Kulturflucht aus Kräutergärten zurückzuführen ist, in denen sie wegen ihrer schleimigen Samen kultiviert wurde.
Einige Arten sind sehr anspruchslos und besiedeln deshalb ein breites Spektrum an Habitaten.
Zeigerfunktion
Ein starker Brennnesselwuchs gilt allgemein als Zeiger für einen stickstoffreichen Boden und bildet sich oft als Ruderalpflanze auf früher besiedelten Stellen aus. Eine grosse Anzahl Brennnesseln in einem Gebiet erlaubt es somit, auch ohne chemische Untersuchungen Rückschlüsse auf die Bodenbeschaffenheit zu ziehen.
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